Sie sagen
„Ich werde dich lieben
bis zum Tag an dem ich sterbe.“
Wir sagen
„Ich werde dich auch
darüber hinaus lieben.“
Zack Grey
Vom mutigen Carlo und seiner besten Freundin - eine Ostergeschichte
Lebensgrund-Newsletter 60 / Ende März 2024
Ostern erzählt von der Auferstehung ins Leben, ins Leben danach. Es ist der Weg des Hoffens auf tragende Beziehungen und die Erfahrung von Brüchigkeit. Der Weg durch Verzweiflung, Ängste und Not und die Konfrontation mit dem grossen Warum angesichts des viel zu frühen Tods. Ostern erzählt von der Ohnmacht angesichts des Leidens und vom Mut, nicht im Schrecken zu erstarren. Ostern erzählt von der Kraft der Liebe, die sich nicht vom Tod abschrecken lässt, sondern voller Fürsorge ist, auch für die Toten. Wegen dieser liebenden Fürsorge und dem Wunsch des bewussten Abschiednehmens vom Körper des Verstorbenen gingen die Frauen in der Frühe des dritten Tages nach Jesu Tod zum Grab und wollten mit wohlriechenden Ölen seinen Leib salben. Aus diesem Weg der Frauen entstand das Zeugnis der Ostergeschichte.
Katharina Keel, die Teil unseres Ausbildungsteams in Trauerbegleitung ist, ist eine mutige Möglichmacherin. Sie ermöglicht Liebe, Fürsorge und Begegnung für Tote und ihre Hinterbliebenen. Damit ein Weiter-leben möglich ist, ein Aufstehen in ein Leben danach.
Katharina berichtet: „Vor einigen Wochen ist mein bester Freund Carlo unter tragischen Umständen verstorben. Als Betroffene sowie ausgebildete Trauerbegleiterin und Präsidentin des Vereins familientrauerbegleitung.ch setze ich mich seit Jahren für eine gelebte Abschiedskultur ein. Die Tage nach Eintritt des Todes und die bewusste Verabschiedung von Verstorbenen ist für den Trauerprozess der Hinterbliebenen zentral. Der Familie von Carlo wurde vom ersten Bestattungsinstitut mitgeteilt, dass eine Aufbahrung mit offenem Sarg nicht möglich sei. Ich fand, die Frage der Möglichkeit sei eine des Zu-Mut-baren. So entstand die Geschichte des mutigen Carlo, die ich hier erzähle:
Es war einmal ein mutiger Carlo. Er ist nicht nur eine grosse Seele, sondern vor allem auch ein goldenes Herz. Carlo wird von seiner Familie und seinen Freunden über alles geliebt.
So führt der Schönling ein glückliches Leben, bis eine Stoffwechselerkrankung überhand nimmt und es zum grossen Unglück kommt. Ein Fenster und viele Fragen sind offen. Was jedoch ausser Frage steht: Dass Carlo das Recht auf eine würdige und liebevolle Heimreise hat und die Angehörigen das Unbegreifliche wortwörtlich begreifen dürfen.
Carlo hat über seinen Tod hinaus noch einmal Glück. Seine beste Freundin setzt sich für ihn ein und holt sich dabei die Hilfe von wahren Helden. Carlo wird sorgsam gewaschen und eingekleidet. Sein verletzter Kopf bandagiert und von seinem Schal und Hut bedeckt. Gemeinsam ermöglichen sie das Unmögliche. Carlo konnte zwar nicht mehr in diesem Leben gerettet werden, zumindest aber im Tod.
Und noch ein Wunder geschieht: Eine grosse Welle des Mutes schwappt von Carlo auf die Familie und Freunde über. Sie stellen sich gemeinsam dem Schweren und es wird allen leichter ums Herz. Sie dürfen berühren, sie dürfen begreifen, sie dürfen erfahren. Das Unglaubliche wird fassbar und darf betrauert werden.
Sie machen die Entdeckung, dass die Verbindung von Menschen auch über den Tod hinausreicht und die Liebe bleiben darf. Das letzte Bild, es ist ein friedliches. Und Carlo verlässt diese Welt in einem bunten Kunstwerk, einem bemalten Sarg, geschaffen von seinen liebsten Menschen. Er ist ausgestattet mit all den Dingen, die er für sein nächstes Abenteuer braucht.
Der Umgang mit Carlos Tod ist eine Heldengeschichte, wie sie nur das Leben selbst schreiben kann. Was wir für uns daraus mitnehmen dürfen: Etwas Mut tut tatsächlich allen gut. Ich glaube, dass wir als Gesellschaft in solchen Krisensituationen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der psychischen Gesundheit von Menschen beitragen können. Handlungen schaffen Trauernden die Möglichkeit, aus der Ohnmacht zu kommen. Gerade bei so plötzlichen Todesfällen ist die Abwehr oft die erste Reaktion angesichts des Schocks. Da ist es unsere Pflicht, Betroffene auf die Möglich- und Wichtigkeit von Abschiednahme hinzuweisen. Einmal mehr wurde ich Zeugin, dass achtsame Begleitung durch Bestatter und Fachpersonen Trauer von unermesslichem Wert für den Trauerweg ist.
Möge die Geschichte von Carlo andere ermutigen, sich dem Schweren im Leben zu stellen und dabei eine Verwandlung auf einer tieferen Ebene erfahren zu dürfen.“
Danke, Katharina, für diese österliche Mutgeschichte, die die Konfrontation mit dem Schmerz nicht ausschliesst und das Wagnis der Lebendigkeit im Abschiednehmen bezeugt.
Mit österlichem Gruss
Barbara Lehner und Antoinette Brem
P.S. Ein solcher Möglichmacher von Hoffnung in der Trauer war auch unser Lehrer und Mentor Jorgos Canacakis. Er ist am 17.03.24 fast 89 jährig in Athen verstorben. Jorgos, du fliesst jetzt im Universum mit und die Klänge der Welt reisen mit dir weiter, wie es so schön in deiner Todesanzeige heisst. Wir sind dankbar für alles, was wir von dir lernen durften und tragen etwas von deinem Erbe weiter.
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