Das Ziel im Leben ist nicht,
immer glücklich zu sein,
sondern all unser Lachen zu lachen
und all unsere Tränen zu weinen.
(Marshall B. Rosenberg)
Ein Plädoyer für die Ehrlichkeit
Lebensgrund - Newsletter 63 / Dezember 2024
Es ist Montagmorgen, wenige Tage vor Weihnachten und ich habe eine junge Frau am Telefon welche für ihre Schwester eine Familientrauerbegleiterin sucht….ihr Schwager sei letzte Nacht völlig überraschend verstorben, zur Familie der Schwester gehören noch Max und Leon im Alter von sechs und acht Jahren. Am nächsten Tag telefoniere ich mit der betroffenen Mutter, um Erwartungen und Bedürfnisse zu klären. Wir treffen uns am Nachmittag draussen im Park neben der Abdankungshalle und besprechen genau, was die drei möchten, welche Vorstellungen sie haben und wie es ihnen dabei geht…
Kinder trauern dann, wenn sie etwas traurig finden. Das kann der tote Vogel auf dem Schulweg oder die zerbrochene Lieblingstasse sein. Hier ist es wichtig, die Kinder in ihrer Traurigkeit ernst zu nehmen. Erwachsene sind bemüht, ihre Kinder zu schützen. Deshalb kommen leicht Sätze über die Lippen wie: „Du musst nicht traurig sein.“ „Das ist doch nicht so schlimm.“ „Deshalb musst du doch jetzt nicht weinen.“
Warum jedoch dürfen Kinder nicht traurig sein?
Dadurch lernen sie den Umgang mit schweren Momenten und mit der Trauer. Kinder dürfen auch fröhlich sein. Kaum jemand sagt:
„Sei nicht so fröhlich.“ „Das ist doch nicht so lustig.“ „Deshalb musst du doch nicht lachen.“
Freude und Trauer gehören zusammen wie Tag und Nacht. Sie gehören in unser Leben. Und um so früher ein Kind den Umgang mit kleinen Verlustereignissen lernen darf, um so leichter kann es in schwereren Zeiten auf die gemachten Erfahrungen zurückgreifen. Diese Erfahrungen können sein:
Ich darf: traurig sein, weinen, wütend sein, mich ärgern, zeigen, wie es mir geht, die Gefühle ausdrücken. Ich darf sein, wie ich bin.
Immer wieder erlebe ich jedoch in meinem Alltag als Familientrauerbegleiterin, dass den Kindern, die ein Recht auf Ehrlichkeit und Informationen haben, diese verwehrt bleiben. Mir ist bewusst, dass dies meist aus (für Erwachsene) plausiblen Gründen passiert.
Doch warum genau ist es so wichtig mit den Kindern und Jugendlichen ehrlich zu sein?
> Ehrlichkeit schafft Vertrauen. Kinder, die das Gefühl haben, dass ihnen die Wahrheit gesagt wird, behalten Vertrauen in ihre Bezugspersonen und fühlen sich weniger alleine. Ehrlichkeit hilft ihnen, sich sicher und geborgen zu fühlen.
> Kinder sind gut darin, Lücken selbst zu füllen, oft mit noch beunruhigenderen Fantasien. Ehrliche Gespräche helfen, Missverständnisse zu verhindern und die Realität zu klären.
> Kinder müssen den Tod als Teil des Lebens verstehen, um trauern zu können. Offene Gespräche über den Verlust erleichtern ihnen, die Trauer auf gesunde Weise zu verarbeiten. Ein ehrlicher Umgang in der Familie schafft eine Atmosphäre, in der jeder offen über Gefühle sprechen kann. Kinder fühlen sich sicherer, ihre eigenen Emotionen mitzuteilen und auszuleben. Wenn Kinder wissen, dass auch die Erwachsenen traurig oder verunsichert sind, lernen sie, dass es in Ordnung ist, ihre eigenen Gefühle zu zeigen. Ehrliche Gespräche geben ihnen die Möglichkeit, ihre Gefühle einzuordnen.
> Durch ehrliche Gespräche entwickeln Kinder ein besseres Verständnis für die Endlichkeit des Lebens, was ihnen hilft, den Tod als natürlichen Teil des Lebens zu akzeptieren.
> Wenn Kinder in den Trauerprozess einbezogen werden, haben sie weniger das Gefühl, allein gelassen und ausgegrenzt zu werden. Ehrlichkeit kann ihre Ängste lindern und sie unterstützt fühlen lassen. Kinder, die erfahren, wie Familie und Freunde ehrlich mit Verlust umgehen, entwickeln oft ein tieferes Mitgefühl und die Fähigkeit, in Krisen empathisch zu reagieren.
Ehrlichkeit hilft Kindern nach einem Verlust emotional zu heilen, ihre Widerstandsfähigkeit und ihr Vertrauen wird gestärkt. So wie bei Max und Leon, die befähigt werden Abschied vom verstorbenen Vater nehmen zu können, Fragen zu stellen, Gefühle zu leben.
Bei meinen Vorträgen treffe ich immer wieder auf Erwachsene, welche keine Chance zum Abschiednehmen hatten und keine ehrlichen Antworten erhielten als Kinder und heute noch darunter leiden.
Und deshalb wünsche ich mir aus tiefstem Herzen, dass wir in dieser besinnlichen Weihnachtszeit und im kommenden neuen Jahr uns immer wieder darin üben, ehrlich zu sein mit allen Kindern, die uns im Alltag begegnen.
Alles Liebe
Annyett König
.... und mit herzlichen Grüssen von Antoinette Brem und Barbara Lehner
☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼ ☼
Ausblick auf einige Kurse und Anlässe:
>> hier finden Sie das ausführliche Jahresprogramm. Weitere Infos bei welcome@lebensgrund.ch
☼ 14.01.25 Online-Info-Veranstaltung zum Lehrgang Trauerrituale, 19.30 – 21 Uhr.
☼ 07.03.25 Follow up Trauerfeiern. Worte, die Wege weisen. Sinn und Trost in Traueransprachen, in Luzern
☼ 11.03.25 In der Klarheit liegt Kraft, Aufstellungsseminar Systemische Selbst-Integration, in Luzern
☼ 03.04.25 Follow Up Trauerbegleitung, Wenn das Ende feststeht, Trauer und assistierter Suizid, in Luzern
☼ 28.04.25 Online-Info-Veranstaltung zum Lehrgang Trauerrituale, 19.30 – 21 Uhr.
☼ 02. – 04.05.25 Shibashi Qi Gong Einführungs- und Vertiefungskurs, Lassalle-Haus
☼ 15. / 16.05.25 Follow Up Trauerbegleitung, Komplizierte Trauer. Verluste in der Kindheit, Nachholende Trauerarbeit, mit Roland Kachler, D
☼ 24.05.25 In der Klarheit liegt Kraft. Systemische SELBST-Integration, in Luzern
☼ 05.- 07.06.25 Mit dem Verlust leben lernen. Trauerseminar, Im Trauern Trost und neuen Lebensmut finden, Flüeli-Ranft OW
☼ 19.- 21.06.25 Beginn Diplomlehrgang Familientrauerbegleitung, mit A. König, in Luzern
☼ 03.- 16.07.25 Wo ich sein darf, wer ich bin. Frauen*-Visionssuche, in den Schweizer Bergen
☼ 11. – 13.07.25 Die Brust weit machen auf dem Berggipfel - Shibashi Qi Gong Einführungs- und Vertiefungskurs, Kloster Kappel, Kappel a. Albis
☼ 21./22.08.25 Follow up Methodenvertiefung Trauerrituale „Das Balance-Modell für Trauerreden“, mit Birgit Aurelia Janetzky, D, in Luzern
☼ 11. – 13.09.25 Beginn Diplomlehrgang Abschiedsrituale und Trauerfeiern, Flüeli-Ranft
|