Altvertrautes zerbricht
Fragen und Ängste machen sich breit
Brauchen Raum und Ohr
Im Durchleben der Krise
wächst Schritt um Schritt
der Weg unter den Füssen
wächst Schritt um Schritt
die Brücke des Vertrauens in der Zumutung
Will das Ende einen Neuanfang berühren,
ahnend und gestaltend das Hier und Jetzt.
Barbara Lehner
Wenn die Welt grad kopfsteht...
Lebensgrund-Newsletter 54 / Sept. 2022
Ich hatte gerade meinen Espresso getrunken und wollte nach der Mittagspause wieder an die Arbeit gehen, als das Telefon klingelte. „Guten Tag, ich habe ein Problem,“ sagte er, kaum hatte ich mich gemeldet. „Ja, um was handelt es sich?“ fragte ich ihn. „Es ist so: meine Frau liegt im Kantonsspital und ist am Sterben,“ antwortete er sachlich und versuchte seine Fassung zu wahren. – Ich hielt einen Moment inne – und bemerkte dann: „Das ist ein schwerer Moment, wie kann ich Ihnen helfen?“
„Wissen Sie, mir ist so etwas noch nie passiert. Ich weiss nicht, wie ich dann vorgehen muss, wenn meine Frau gestorben ist. – Wen ich anrufen muss: zuerst den Bestatter oder doch so jemand wie Sie? Und wo ich eine Person finde, die die Trauerfeier meiner Frau gestalten würde. Sie ist katholisch, möchte aber eine alternative Form des Abschieds ... dann... wenn es soweit ist."
Gut eine halbe Stunde berate ich ihn kostenlos und gehe auf seine Fragen ein. Am Schluss ermutige ich ihn den Weg weiterzugehen mit sich, seinen Ängsten, seiner sterbenden Frau. Sage, dass ich zuhause eine Kerze anzünden würde, für ihren Weg des Abschiednehmens.
Krisenzeiten fordern heraus. Das, was uns entgegentritt ist zu gross, als dass wir ihm einfach ausweichen können. Dann ist es eine Stärke, sich der Herausforderung zu stellen und Schritt für Schritt tapfer den Weg zu gehen. Und dann brauchen wir Menschen. Als Weggefährtinnen, als wertfreie Gesprächspartner und Orientierungspunkte und manchmal als Hilfe in der Not, mit Fachwissen und Menschlichkeit.
Als ich auflege, halte ich einen Moment inne, lasse das Gespräch nachwirken. Irgendwie berühren mich die Worte des gut sechzigjährigen Mannes. Wie ehrlich sie sind, ungeschminkt. Er hat ein „Problem“, welches ich ihm nicht abnehmen kann: Seine Frau wird sterben und dieser Abschied wird ihn mit all seinem Schmerz und seinen Konsequenzen fordern.
Aber ich kann ihm beistehen, damit er sich dieser Lebensaufgabe zu stellen vermag. Ich unterstütze ihn mit Informationen und Fachwissen, mit gezielten Fragen und Hinweisen. Ich bestätige seine Herausforderungen, bestärke seine Ideen und höre ihm einfach zu. Gebe seinen Gedanken und Fragen Raum.
Die Aufgabe, das „Problem“ wird dieser Mann selbst durchleben und gestalten müssen. Aber mein Beistand kann ihn stärken und ermutigen in seinem Tun. Trauerbegleitung ist dann mehr als einem Menschen gegenüber zu sitzen, der weint und Geschichten erzählt. Das ist es auch, aber noch viel mehr: Einen Menschen mit Hintergrundwissen, echtem Interesse und Empathie zu unterstützen in ganz konkreten Aufgaben, die diese aussergewöhnliche Situation grad an ihn stellt. Im Raum, in dem Fragen und Unsicherheit sein dürfen, wachsen auch Ideen und Gewissheiten, was als Nächstes zu tun ist. So wird er Halt im Haltlosen erfahren.
Wie gut, denke ich, bildet sich mehr und mehr ein Netzwerk von Fachpersonen, die Trauernden beistehen. Und wie wunderbar, können wir mit unserem „Lebensgrund“ etwas dazu beitragen. Gerade auch mit dem Lehrgang Trauerfeiern und Bestattungen, der Ende Oktober zum 5. Mal beginnt. Damit Menschen „im Ernstfall“ eine Fachperson finden, die sie darin unterstützt, einen guten Rahmen für den Abschied zu finden. Mit stimmigen Symbolhandlungen, die ihm und allen Beteiligten erlauben, die neue Wirklichkeit zu realisieren, Gefühlen einen Ausdruck zu geben und handelnd die neue Realität mitzugestalten. So kann ein erster Trauerprozess im Rahmen eines Abschiedsrituals durchlebt werden.
Das ist doch schön, denke ich und setze mich dankbar an meinen Schreibtisch, wende mich meinen Aufgaben zu ... und lächle. Diese geschenkte Zeit war nicht vertan. Ich konnte dem Mann ein paar Steine zeigen, mit denen er eine Brücke zum Weitergehen bauen kann - über den Abgrund des Abschieds hinweg in eine neue Wirklichkeit.
Mit der Kraft der Herzverbundenheit
Barbara Lehner und Antoinette Brem
P.S. Für all unsere Angebote nehmen wir gerne Anmeldungen entgegen. Wir freuen uns, wenn Sie uns kontaktieren und auch weiterempfehlen.
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Ausblick auf einige Kurse und Veranstaltungen: (das ausführliche Jahresprogramm 2023 finden Sie ab Nov. 2022 auf www.lebensgrund.ch, Infos jetzt schon bei welcome@lebensgrund.ch oder 041 310 98 51)
☼ Beginn Lehrgang Trauerrituale, DO 27. – SA 29. Okt. 2022, zentrumRANFT, Flüeli-Ranft
☼ Follow up Themenvertiefung Trauerrituale „Leben neu betrachten und würdigen im Spiegel der 4 Pfade der Schöpfungsspiritualität“, FR/SA 4./5. Nov. 2022,in Luzern
☼ Systemische SELBST*Integration nach Langlotz, In der Klarheit liegt Kraft, SA 12.Nov.2022 in Luzern
☼ Trauerseminar "Mit dem Verlust leben lernen", FR 18. – SO 20. Nov. 2022, Flüeli-Ranft
☼ Einführungskurs Shibashi Qi Gong „Meditation in Bewegung“, FR 2. – SO 4. Dez. 2022, Kloster Kappel, Kappel am Albis
☼ erdverbunden himmelwärts: ein Tag mit Harmonizing Heaven and Earth Qi Gong, DI 13. Dez. 2022, in Luzern
☼ Beginn Grundausbildung in Trauerbegleitung im März 2023 in Luzern
☼ Follow up Trauerbegleitung Methodenvertiefung: Weite den Raum. Jin Shin Jyutsu als nährende und unterstützende Ressource, mit Anna Maria Zündt, A am 4. – 5. April 2023, in Luzern
☼ Follow up Trauerbegleitung Themenvertiefung: Kinder im Verlustschmerz begleiten, mit Roland Kachler, D, am 27. – 28. April 2023, in Luzern
☼ Visionssuche: Wo ich sein darf, die ich bin. Naturseminar Bündner Bergen, SO 6. - SA, 19. Aug. 2023
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